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Der Wet-T-Shirt-Marathon – gut hydriert durch die Hansestadt


Der Unterschied zwischen persönlicher Bestzeit und der Entdeckung der Langsamkeit ist cirka 100 Nanometer groß und hört auf die Namen Rhino, Entero oder Mastadeno. Nein, das sind nicht die drei Pizzabäcker vom Lieblingsitaliener an der Ecke, sondern die Hauptverdächtigen für den grippalen Infekt und der daraus resultierenden Bronchitis, die mich in der Hochphase der Marathonvorbereitung lahm gelegt hat. Nun wäre es aber ausgesprochen ungerecht, nur den kleinen viralen Strolchen die Schuld in die Laufschuhe zu schieben, denn auch mein chronisch unterversorgtes Vernunftzentrum und der hanseatische Wettergott spielen eine nicht unerhebliche Rolle in dieser läuferischen Tragödie …


Prolog


Sie began so verheißungsvoll die Laufsaison 2015. Der Winter in Hamburg war mild, das Grundlagentraining lief super und die Fluchten in den Spanischen Winter und die damit verbundenen Sightseeingrunden durch Valencia, Sevilla und Barcelona waren wilkommene Auszeiten und lange Trainingseinheiten in Einem. Die heimischen Wettbewerbe am Bramfelder See, im Bergedorfer Gehölz und in der Wildnis südlich der Elbe lieferten durchaus respektable Zeiten und gipfelten in einer neuen Bestzeit über 20km beim frühlingshaften Knäckebrotlauf in Celle. Mein diesjähriger Plan, die Auslandsmarathons in Spanien, Schweden und Hessen locker und ohne Zeitvorgabe anzugehen, dafür aber bei den Heimspielen in Hamburg und Berlin meine persönliche Bestzeit ins Visier zu nehmen, schien aufzugehen.


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Doch dann kam der (Fr)ostseelauf am Timmendorfer Strand. Ein wunderbarer Lauf in schöner Umgebung, bei sonnigem Wetter mit perfekter Organisation, aber auch reichlich Wind und Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt. Den Zehner trotz Marathonbeinen relativ flott absolviert, dabei naturgemäß ein wenig geschwitzt, nicht schnell genug ins wärmende Auto gehüpft und damit Tür und Tor für die bereits erwähnten viralen Kumpanen geöffnet. Den Rest haben mir dann die verschnupften Kids und der hustende und röchelnde Hamburger Nahverkehr gegeben. Vielen Dank … ich bin dann mal krank! Der Kieler Hochbrückenlauf wird schweren Herzens abgesagt und das Training mitten in der Hochphase in den Schonwaschgang versetzt. So weit, so vernünftig.

Gut zehn Tage, dann sollte Virus Bronchius die Flucht ergriffen haben und ich ohne Formverlust wieder ins Training einsteigen können. Gesagt, getan … bei den Hamburger Meisterschaften über 10km war ich zwar noch nicht wieder richtig fit, dafür aber am Start. Die Folgen, Platz 3 in meiner Alterklasse und das Revival des Bronchialrunners. Wer nun glaubt, Unvernunft könne man nicht steigern, der sollte besser nicht den Bericht zum Wilhelmsburger Insellauf lesen. Form, Fitness und Gesundheit waren passé, also musste eine Planänderung her. Der Hamburg Marathon wird kurzerhand zum Genusslauf erklärt, es wird strickt nach Pulsuhr gelaufen und bis dahin keine Dummheiten mehr angestellt. Deal!


Der Tragödie erster Teil


Freitagmorgen kurz vor Neun, fahle Gesichter leuchten matt im Schein der Smartphones und müde Blicke aus den S-Bahn-Fenstern verlieren sich in den hanseatischen Fifty Shades Of Grey. Nebel liegt über der Stadt und ich gleite langsam durch die graue Suppe in Richtung Altona, in Richtung Arbeit. „Nächste Haltestelle, Diebsteich“ klingt es blechern aus den Lautsprechern und ich zögere nicht lange, bevor ich aus der Bahn springe und in die S21 umsteige. „Nur schnell die Startunterlagen holen, die Arbeit wird mir in der Zeit schon nicht weglaufen“ denke ich, als ich die Bahn an der Sternschanze verlasse und zum kurzen Spaziergang Richtung Messehallen aufbreche. Während ich den Schanzenpark entlangschreite, blinzeln tatsächlich ein paar Sonnenstrahlen hinter dem Fernsehturm hervor und der Nebel löst sich nach und nach in Wohlgefallen auf. Auf der Karolinenstraße herrscht hektische Betriebsamkeit beim Aufbau des Start- und Zielbereichs und gibt schon mal einen Vorgeschmack auf den wohligen Schauer, der mir sicherlich auch kurz vor dem Startschuss über den Rücken fahren wird. Freitag morgen kurz nach Zehn, die Sonne strahlt und ich betrete gut gelaunt die Messehallen.


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Die personifizierte gute Laune, das freundliche Lächeln des Hamburger Laufsports ist dann auch das Erste, was mir zufällig auf der Messe begegnet. Wir schlendern gemeinsam zur Startnummernausgabe, spekulieren über realistische und unrealistische Erwartungen an ihre Marathonpremiere, quatschen noch kurz über dieses und jenes, bevor wir uns gegenseitig Erfolg und vor allem Spaß wünschen und sie zum Stand ihres Sponsors zurückkehrt. Während ich geschickt die Verführungen und Rabattaktionen der Sportartikelhersteller umschiffe, lasse ich mich weiter über die Messe treiben und sammle Infos zu den wenigen Läufen, für die ich noch nicht gemeldet bin. Am Stand der Laufgesellschaft bleibe ich auf einen ausgedehnten Plausch und beichte der guten Seele meines Lieblingsveranstalters schuldbewusst, dass ich beim diesjährigen Halbmarathon durch Abwesenheit glänzen werde. Dann noch kurz bei „laufgeschenke.de“ Hallo sagen, bei TomTom fragen, wann die Pasta am Samstag serviert wird und bei Orthomol nachhaken, warum ich immer noch nicht so schnell wie Mocki laufe.

Da an diesem Wochenende gefühlt die komplette Laufszene Deutschlands in Hamburg unterwegs ist, war es eigentlich mein Plan, an beiden Tagen immer mal wieder auf die Messe zu schlendern und alte wie neue Laufbekanntschaften auf einen Plausch beim Sponsorenbierchen zu treffen. Leider hatten meine Kunden einen anderen Plan und so breche ich am späten Vormittag schon wieder in Richtung Büro auf, mit dem Wissen dort auch den kompletten Samstag zu verbringen. Am Tag vor dem Marathon im Büro zu sitzen und im April zum Thema Weihnachten zu arbeiten, während einen jeder flüchtige Blick in die Timeline, daran erinnert, wo sich der Rest der Läuferbande gerade rumtreibt, ist weit weniger erbaulich, als es vielleicht klingt. Aber jeder noch so nervige Arbeitstag geht irgendwann vorrüber und dieser endet dank TomTom dann noch versöhnlich mit interessanten Gesprächen und leckeren Gnocchi im Ristorante bei Kilometer Einundvierzig.


Der Tragödie zweiter Teil


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Raceday! Tief im Westen Hamburgs singt ein einsames Mobiltelefon sein viel zu frühes Wecklied. Der, dem es gilt, ist bereits seit 20 Minuten wach und streift gerade das am Vorabend hauptsächlich unter modischen Aspekten zusammengestellte Läufer-Outfit über. „Es wird Regen geben“ ein Song aus dem Frühwerk eines bekannten schwäbischen Sprechgesangs-Quartetts deckt sich erstaunlich gut mit den Wetterprognosen der letzten Tage und dem morgendlichen Blick gen Himmel. Folglich wird sich nach dem Zwiebelprinzip gekleidet und danach umgehend mit dem schicken Jubiläumsbeutel voll Wechseltextil aufs Rad geschwungen. Am S-Bahnhof lungern bereits zahlreiche, leicht als Läufer auszumachende, Gestalten herum, bei deren Anblick man sich mit dem eigenen Wahnsinn nicht mehr ganz so einsam und verlassen vorkommt.

Die Bahn fährt ein und in ihr noch mehr aufgeregt schnatternde Funktionsfaser und ein Hauch von Hygienespüler, Angstschweiß und Franzbranntwein. Auf dem langen Weg gen Osten werden Station für Station, mehr und mehr Protagonisten für das heutige Schauspiel eingesammelt. Nervöse Debütanten, abgeklärte alte Hasen, schüchterne Laufnovizen, entschlossene Wiederholungstäter, entspannte Staffelteams und motivierte Bestzeitläufer – ein buntes Laufvolk, das die S-Bahn schließlich am Dammtor ausspuckt. In der Tiefgarage des CCH kurbelt sich die Handbiker-Elite warm, während ich gemütlich in Richtung Messehallen radel, meinen Drahtesel parke und mich in den Menschenstrom in Richtung Beutelablage einreihe. Obwohl Tausende in die Hallen streben, gibt es kein Gedränge, keinen Stau und der Beutel ist in null-komma-nix von den engagierten Helferinnen im richtigen Käfig wegsortiert.


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Ein kleines „I“ prangt rechts oben auf dem Zettel, den ich mir mit vier Sicherheitsnadeln vor den Bauch gehängt habe … mein mir zugeteilter Startblock, der letzte auf der Rentzelstraße, direkt unterm Telemichel, der offizell eigentlich Heinrich-Hertz-Turm heißt. Ein versehentlich verschlossenes Tor und das Gedränge vor den Dixies können mich nicht davon abhalten, mal wieder viel zu früh am Ausgangspunkt der Reise zu erscheinen. Warmlaufen? Dehnen? Och nö. Zu allem Überfluss setzt auch noch der Hamburger Nieselpiesel ein … „Boah langweilig!“ denke ich gerade, als ein bekanntes Gesicht aus der Zunft der Tide Runners auftaucht. Einen angeregten Plausch und einen vergeigten Startschuss später, setzt sich das Feld langsam in Bewegung und unser Block wird um 9:15 über den roten Teppich in den Nieselregen geschickt. Hinter uns erstmal nichts, aber es folgen noch die bei den Kirchhöfen gestarteten Blöcke J bis N.

Es geht vorbei am Heiligengeistfeld, über die Reeperbahn und die Königstraße in Richtung Altona. Ehemalige Homebase und Bürostandort. Ein guter Platz, um die oberste Zwiebelschicht in der Hoffnung abzulegen, sie später wiederzufinden. Weiter geht es Richtung Othmarschen, trotz des Regens vorbei an gut gelauntem Publikum, ersten Trommelgruppen und unzähligen Kinderhänden. Kehre am Halbmond und zurück über die Elbchaussee vorbei an den Parks und Villen in Övelgönne mit erstem Durchblick auf den Hafen in Richtung 10km-Marke. Getränkestopp am Altonaer Balkon und dann über die Palmaille zu einem meiner Lieblingsabschnitte der Strecke, dem Gefälle am St.Pauli Fischmarkt. Gibt es eigentlich einen Bergabmarathon? Ich bin dabei! Am Golden Pudel Club plötzlich tosender Applaus und Konfettiregen, die Jubelmenge der Tide Runners hat meine charmante Begleitung entdeckt und überschüttet sie mit Crewlove. Yeah! (Foto links: © Haspa Marathon Hamburg)


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Nur eine handvoll Höhenmeter später geht die Party an den Landungsbrücken weiter, tausende Hamburger trotzen dem Schietwetter und feuern die Meute nach Kräften an. Gut gelaunt traben wir weiter auf der eher ruhigen Passage entlang der Elbpromenade und der Speicherstadt. Mein erster Blick auf die Pulsuhr zeigt, dass Alles im grünen Bereich ist. Entspanntes Tempo, entspannter Puls, bloß nichts riskieren nach der Vorgeschichte, heute zählt nur das Ankommen. Im Wohlfühltempo entere ich den Wallringtunnel und verliere meine treue Laufgefährtin gut einen Kilometer bevor ihre Reise in der Wechselzone endet. Hat sie den Turbo in Gelform eventuell zu früh gezündet? Von nun an auf mich gestellt, umrunde ich die Binnenalster und genieße den Ausblick von der Lombardsbrücke. Mein Name schallt aus den Lautsprechern am Runners Point und der gut gelaunte Moderator schickt mich weiter in Richtung Außenalster.

Der durch die Vorerkrankung geschwächte Körper zeigt erste Ermüdungserscheinungen, da der Puls aber noch immer im grünen Bereich ist, reicht eine kurze Gehpause am Schwanenwik und weiter geht es auf das lange Elend namens Sierichstraße. „Naa, mal wieder zu schnell angegangen?“ werde ich von links angesprochen. Sieläuft kennt mich schon ganz gut, aber diesmal bekommt sie ein „Nö, noch nicht wieder ganz auf dem Damm“ zu hören, bevor wir uns weiterhin viel Spaß und einen Pauli-Sieg wünschen, der übrigens nicht in Erfüllung gehen wird. Es folgt mein alljährlicher Publikums-Tiefpunkt am Streckenrand, die Burschenschaft Germania. Da dies ein Laufblog ist, will ich gar nicht näher auf den Brechreiz eingehen, den diese Vögel bei mir auslösen. Die Rechten links liegen lassen, angewidert schütteln und weiter gehts über die Hügel der Sierichstraße. Kurz vor dem Stadtpark überholt mich Felix Austria, dem geneigten Leser bereits aus der Wildnis bekannt. Mit ihm wollte ich eigentlich gemeinsam die Strecke in Angriff nehmen, bis uns Startblock und Bronchitis trennten. Ein paar aufmunternde Worte, bevor auch er weiterzieht.

Der Nieselregen hat sich inzwischen durch die Laufklamotten gearbeitet und legt sich beharrlich aufs Gemüt. Zum Glück wartet aber schon ein weiterer unerwarteter Lichtblick am Südring des Stadtparks auf mich, eine erst kürzlich beim (Fr)ostseelauf kennengelernte Lauffreundin begleitet mich ein paar hundert Meter und steckt mich mit ihrer guten Laune an. Verstärkt durch die kurz darauf folgenden Publikumsparty an der alten Wöhr, hält sie die gesamte Runde durch Barmbek an. Erst in der City Nord bemerke ich wieder die Kollateralschäden die Rhino, Entero und Mastadeno hinterlassen haben und gehe ein paar Schritte bis zum Getränkepunkt. Wieder höre ich ein „Hey Hallo!“. Am knallroten Namensshirt erkenne ich augenblicklich die Besucherin aus Berlin. Die überaus netten Mitglieder des Lauftreffs Bernd Hübner trifft man fast überall auf der Welt und vorzugsweise bei Marathons. Knapp einen Kilometer traben wir gemeinsam durch Alsterdorf, bevor ich auch sie mit Grüßen an Hübi ziehen lassen muss.


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Obwohl im Vorfeld bereits klar war, dass in Sachen Zielzeit am heutigen Tag absolut nichts zu erwarten sein würde, hatte ich sie doch – diese abstruse Hoffnung, dass mich mein Körper überrascht und ich wider Erwarten doch eine gute oder zumindest akzeptable Zeit hinlege. Spätestens hier bei Kilometer 30 wird mir beim Blick auf die Uhr klar, dass diese Hoffnung mal wieder absolut unberechtigt war und ich froh sein kann, wenn ich in einer Zeit von unter fünf Stunden ins Ziel taumel. Für die Motivation ist diese Erkenntnis nicht gerade hilfreich, genauso wenig wie der Regen, der nun deutlich stärker wird. Den Streckenteil an der Rathenaustraße mag ich sonst wirklich gerne, da viele der Anwohner dort eine Art Straßenfest zelebrieren und dabei Getränke und gute Laune verbreiten. Heute aber versinkt der Straßenzug am Alsterlauf im Regen. Als wir den nördlichsten Punkt der Strecke am Bahnhof Ohlsdorf erreichen, fragt ein Läufer neben mir erzürnt gen Himmel „Ist das alles, was du drauf hast, Petrus?“ was selbiger umgehend mit der passenden Antwort quittiert und einen Wolkenbruch der übelsten Sorte über uns niedergehen lässt.

An dieser stelle setzt sich ein kleines Wesen auf meine Schulter, es nennt sich „Mephistopheles“ und flüstern mir leise ins Ohr: „Jetzt bist du dreißig Kilometer gerannt, deine Beine sind unendlich müde, der Regen spült dir den Schweiß in die brennenden Augen, du bist klatschnass, auf dich wartet der schlimmste Streckenabschnitt des gesamten Marathons und als ständiger Begleiter sicherlich noch mehr Regen. Wäre es da nicht schlauer, einfach hier und jetzt in die S-Bahn zu steigen, nach hause zu fahren und ein gemütliches heißes Bad zu nehmen?“ Hm tja, ich muss gestehen, dass ich noch nie zuvor so intensiv über diese Option nachgedacht habe wie in diesem Moment, aber wegen akuter Unlust und etwas Wetter die gesamte Vorbereitung und den Finish beim Jubiläumsmarathon in den Wind schießen? Nein! Weiche von mir elender Wicht …

Der endlose Maienweg – Regen – die endlose Alsterkrugchaussee – Regen. Einen Marathon läuft man eben doch zum größten Teil im Kopf, also stark bleiben! Beim Einbiegen in die Tarpenbekstraße lässt der Regen endlich nach und eine freundliche Stimme ruft fragend meinen Namen. Eddy legendärer Laufblogger der ersten Stunde hat mich in der weit verstreuten Meute ausfindig gemacht und auch er spendet mir ein paar aufmunternde Worte, bevor er vergnügt von dannen zieht. Wenn das so weiter geht, treffe ich auf diese Weise doch noch alle Läufer mit denen ich eigentlich auf der Messe verabredet war. Das gemütliche Dahintraben hat durchaus Vorteile und ab dieser Stelle wird der Hamburg Marathon ja auch wieder zum echten Genusslauf. Am Eppendorfer Baum befindet sich trotz des gerade niedergegangenen Wolkenbruchs die alljährliche Stimmungshochburg. Begeisterung und Jubel bis zum Klosterstern bevor es an der Außenalster wieder etwas ruhiger dafür aber um so schöner wird.

Auf der alten Rabenstraße ist bei Kilometer 40 der letzte Getränkepunkt erreicht. Auch hier aufmunternde Worte von den seit Stunden im Regen stehenden Helfern, vor denen ich immer wieder meinen Hut ziehe. Mit dem Wissen, dass an dieser Stelle selbst nach mir lahmer Krücke noch gut eine Stunde lang müde Läuferbeine vorbeiwanken werden, bedanke ich mich aufrichtig beim Standpersonal und biege nach links in den Mittelweg. Nur noch zwei Kilometer, der Puls schon im Erholungsbereich und die Gedanken schon beim Zielbier, heißt es nochmal Zähne zusammenbeißen. Moorweide, Dammtorbahnhof, Planten un Blomen. Wollte hier nicht irgendwo die Jubelmenge von den Tide Runners stehen? Naja, wer will schon sooo lange auf den alten Zausel warten? Gorch-Fock-Wall, kaum wahrnehmbarer aber fieser Anstieg, dann an der Laeiszhalle die letzte Kurve. Das Publikum jubelt, gleich ist es geschafft, zur Rechten zwei Internet-Bekanntschaften für ein Foto winken und zur Linken einen weiteren Lauffreund aus Süderelbien einsammeln, bevor wir zeitgleich über den roten Teppich ins Ziel traben … geschafft! Marathon Nummer 14 ist im Sack!


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Ein freundliches Gesicht beglückwünscht mich und hängt mir schweres Metal am Band um den Hals, die Uhr zeigt mir eine enttäuschende Zeit von knapp über fünf Stunden und ich bin einfach nur froh, endlich im Ziel zu sein. Der von einer Supermarktkette gesponserte Zielbereich, den wir danach betreten, ist einer der besten, die ich bei meinen bisherigen Marathons gesehen habe. Ein üppiges Obstbuffet, jede Menge Naschwerk, Getränke für jeden Geschmack, Sitzkissen, Klappstühle, Ruhezonen, Massage, Duschen, sogar Hypnose zur Regeneration findet man in den weitläufigen Messehallen. Die Stimmung ist ausgelassen, in den Gesichtern findet sich zwischen Erleichterung und Enttäuschung vor allem ganz viel Schmerz. Noch kurz mit einem isotonischen Gerstensaft anstoßen, bevor wir zwei der noch verbliebenen Beutel aus der Aufbewahrung befreien und humpelnd den Heimweg antreten.


Epilog


Was vom Tage übrig blieb …

Zunächst die Erkenntnis, dass langsames Laufen nicht unbedingt weniger Muskelkater bedeutet – die Einsicht, dass man generell und ich im Besonderen mehr auf seine/meine Gesundheit achten sollte – die Überzeugung, dass sich jeder Marathonläufer mindestens einmal von der grandiosen Stimmung durch die Hansestadt tragen lassen sollte – die Überraschung, dass ich meine Laufjacke genau dort wiedergefunden habe, wo ich sie in Altona abgelegt habe – und die Gewissheit, dass ich beim Laufen noch nie zuvor so nass geworden bin.

 


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Beitragsbild © iStockphoto/bbsferrari

Von rundreas

18 Gedanke zu “Hamburg”
  1. Top Leistung . Bleib dabei, fit und stark zu sein ist voll in. Altag ist wesentlich besser und ausgeglichener wen man Sport treibt.
    Grüße Alex

  2. Hallo Andreas,
    seitdem Du auf diesen Blog im Forum Deiner alten Berliner Laufkumpels um Hübi aufmerksam machtest, habe ich immer mal wieder hier hereingeschaut. Und zwar äußerst gern. Die Geschichten Deiner Läufe und des Drumherums könnten auch von Achim Achilles oder frauschmitt kaum besser fabuliert werden. Wirklich Klasse! Danke dafür!

    Aber jetzt? Seit dem Hamburger Jubiläums-Marathon Ende April warte ich zunehmend ungeduldiger auf ein paar neue Laufeindrücke, die Du so vortrefflich zu schildern vermagst.

    Wassn los? Rhino, Entero oder Mastadeno können Dich nicht mehr besucht haben, denn in Stockholm bist Du gelaufen. Das war aber auch schon Ende Mai. Keine Zeit mehr? Etwa zu viele Läufe? Für Dein geplantes Programm 2015 würden schließlich andere Leute mehrere Jahre brauchen. Oder training by competing?

    So viele Fragen… Aber hoffentlich bald Antworten?

    Erwartungsfroh schon mal die Lesebrille in Reichweite platzierend
    grüßt herzlich aus Berlin:

    Greenhorn Jochen

    1. Hej Jochen,
      schön, dass es dich in meinen Blog verschlagen hat und dir die kleinen Geschichten rund ums Laufen gefallen. Leider sprichst du genau den wunden Punkt an, aktuell komme ich mit den Berichten nicht hinterher, da ich im Leben ausserhalb der Lauferei leider aktuell viel zu tun und zu organisieren habe. Für das Laufen selbst finde ich gerade noch die Zeit, aber das Schreiben darüber leidet aktuell leider sehr.

      Die Berichte zum Big25, zu Stockholm, zum Gegen den Wind Lauf, zum Laufuhrentest und die Literaturkritik sollen und werden auf jeden Fall kommen … nur weiß ich nicht wann. :-/

      Dafür können wir uns eventuell mal wieder in echt treffen, da ich zur City-Nacht in die Hauptstadt komme und mich auch beim Treffpunkt der Hübis blicken lassen werde.

      Grüße in die Kapitale! Andreas

      1. Hallo Andreas,
        zur City-Nacht kann ich leider nicht erscheinen. Ein Start war auch nicht geplant. Ich habe in den letzten Wochen an einigen Zehnern teilgenommen. Aber nur, weil ich ausreichend desperate war und bis dahin noch nichts längeres geschafft habe. Weil ich einfach mal wieder irgendwo mitmachen wollte. Pure Psychologie. Doch nun, da ich meine Zipperlein wieder etwas besser im Griff habe, kann ich es ruhig zugeben: Ich hasse Zehn-Kilometer-Läufe! So was wie morgen Abend! Dieses Atemlos durch die Nacht! Das permanente Gerenne an der Kotzgrenze!

        Einen Vorschlag, wo Du Deine alten Laufkumpane im roten Laibchen sonst noch „in echt“ sehen könntest, habe ich trotzdem. Du kommst ja gut zwei Monate später wieder nach Berlin. Zu diesem etwas ausgedehnteren Läufchen über 42 Kilometer. Wenn Du es einrichten könntest, bereits am Freitagabend vor Ort zu sein, bestünde die Gelegenheit, eine traditionell größere Runde Hübis bei ebenso ausgedehnteren Plaudereien, guten italienischen Speisen, allerlei Getränken und diversem VWG (Vor-Wettkampf-Gejammer) zu treffen. Weil ich finde, dass dies der deutlich angenehmste Trainingstermin in Torstens Marathon-Vorbereitungsplan ist, habe ich mir den 25.09. schon fest notiert. Du bist natürlich auch herzlich eingeladen!

        Ich schreibe Dir rechtzeitig eine PN mit link zum Restaurant im Hübi-Forum , falls Du dort nicht alles so genau verfolgst. Das möchte ich auch nicht hoffen, denn dann können wir hier ja noch länger auf neuen Lesestoff warten… 😉

        Für Morgen wünsche ich Dir viel Spaß und Erfolg! Und viele schöne Erlebnisse für einen noch schöneren Bericht!

        Nein, kleiner Scherz. Lass Dich nicht von uns unter Druck setzen! Mir brennen schon die Waden, wenn ich nur die Listen Deiner Läufe durch-gehe! Allein im vergangenen Jahr 43 Laufveranstaltungen!! Und in diesem Jahr werden es offenbar noch mehr!!!

        Jetzt doch atemlos grüßt:
        Jochen

        P.S. Du bist da besser im Training. Wenn ich nur mal an Deinen kürzlichen Schwerin-Ausflug denke: „Vor Euch liegt der See von Lankow – Schwere Atmung wird zum Manko.“

  3. Hallo, Rundreas!
    Glückwunsch zum Marathon!
    Ich war in Timmendorf auch dabei – und zwar nur als Zuschauerin, um meinen Mann anzufeuern – trotzdem hat diese furchtbare Kälte dafür gesorgt, dass ich danach genau wie du total krank war.
    Hab dich dank RunningBirki gestern erst auf Instagram und heute hier gefunden. Ich halt bei meinen nächsten Laufveranstaltungen auf jeden Fall mal die Augen offen, ob ich dich sehe. Würde mich freuen!

    Liebe Grüße
    Tina

    1. Hallo Tina,
      das freut mich aber, das du über unseren Hamburger Laufparadiesvogel Birki zu meinem Blog gefunden hast, da werde ich mich doch gleich mal zum Gegenbesuch aufmachen, sobald ich etwas Zeit finde. In der Zukunft „laufen“ wir uns bestimmt mal über den Weg, da bin ich mir sicher! Das hätte ja bei dem Brooks Event schon klappen können … 😉

      Bis dahin lieben Gruß durch die Stadt! Andreas

  4. Ich finde, du solltest mal in Erwägung ziehen, ein Buch über deine Lauferei zu schreiben. Und das meine ich wirklich ernst! So blumig, wie du das immer schreibst – das wird ein Bestseller.

    1. Vielen Dank für die blumigen Blumen, Martin.
      Das wäre dann aber eher Selfpublishing in einer Auflage von ca. fünf Exemplaren. 😀 Für den Hausgebrauch in einem Laufblog reicht das eventuell, aber zum gedruckten Wort sicherlich (noch) nicht. Zumal das Lektorat vor Schmerz schreiend aus dem Haus laufen würde …

      Ich übe mal weiter und freue mich schon auf unser Treffen in FFM!

  5. war zum ersten Mal beim Hamburg Marathon dabei.
    Sehr schöner Bericht Rundreas.
    Gratulation!
    Hamburg war echt toll, na ja bis auf den Regen.
    Gruß Maria

    1. Dankeschön Maria,
      und dir ebenfalls Gratulation zum Premierenfinish in der Hansestadt
      auch wenn ich dir schöneres Wetter dafür gewünscht hätte!

      Grüße aus dem Hamburger Aprilwetter (Ende Mai!) … Andreas

  6. Hallo Andreas,

    toller Bericht, gibt er doch gut wieder wie das Wetter war an diesem Tag, ab km 30 gab es die Extra Dusche schon viel zu früh und zu heftig.
    Großes Lob an die Helfer und dem Publikum an der Strecke das die trotz des Wetters so lange ausgehalten haben.

    Gruß Christian

  7. Auch hier noch einmal herzlichen Glückwunsch zu Deinem vierzehnten Marathon-Finish! Und merke Dir: die wahren Helden laufen langsam! Ich hab darüber schon mal was geschrieben. Vielleicht findest Du den Beitrag in meinem Blog 😉

    Ich hoffe, wir sehen uns in Bremen beim Nightrun – und haben dann mehr Zeit zum quatschen, als in HH. 😀

    1. Vielen Dank Eddy!
      Deinen Artikel werde ich mir zur Motivation gleich am Wochenende zu Gemüte führen.

      Ich sag’ dann mal, bis später in Bremen!

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